Was ist Essential Sex?

Die Sexkultur der Gegenwart hält ein nahezu gigantisches Buffet an Subkulturen bereit. Der eine spricht von “Vorlieben”, die andere von”Spielarten”, mal heißen sie “Fetische”, mal “Praktiken” und vieles mehr. Manche Begriffe wie “BDSM” sind eher Kategorien, andere wie “Slow-Sex” beschreiben bestimmte Qualitäten, wieder andere wie “Gangbang” oder “Cuckolding” bezeichnen sehr konkrete Szenarien, aber eines haben all diese Subkulturen gemein: Sie geben den Menschen soziale Orientierung in Form von Gruppen-Zugehörigkeit und sind damit Identitätsstiftend. Sie geben ihren “Mitgliedern” ein Gefühl von Sicherheit, weil sie sagen “Deine Sexualität, Deine Wünsche und Vorlieben, sind ganz normal, ganz natürlich, denn es gibt ganz viele wie Dich. Schau, es gibt eine ganze Subkultur, einen Begriff dafür, also ist es anerkannt, Du bist nicht pervers!”

Dieses Bedürfnis nach sozialer Sicherheit ist richtig und wichtig, es ist einer der wichtigsten Überlebensinstinkte des Homo sapiens, darum haben auch wir uns entschlossen, uns nun offiziell im Reigen der Sex-Subkulturen einzureihen und möchten euch in diesem Artikel “Essential Sex” vorstellen. Natürlich ist auch “Essential Sex” wieder ein Etikett, eine weitere Schublade, weil das einfach die Natur der Sprache ist, die das Universum in Begriffen abstrahiert. Zugleich ist Essential Sex in mancherlei Hinsicht grundlegend anders als die anderen Subkulturen.

Essential Sex ist von außen als solcher nicht zu erkennen, weil er keine spezifische konkrete Form hat. Essential Sex ist vielmehr – einfach gesagt:

Die stetige Suche nach der Essenz von Sex und dem Destillat der Heiligen Lust

Ein wichtiger Grundsatz von Essential Sex ist das Postulat, dass es keine Obergrenze gibt für Genuss, für essenzielle Lust-Energie, für spirituelle Gipfelerlebnisse der sexuellen Ekstase. Es ist radikal hier und jetzt, ist immer wieder ein Nach-innen-Lauschen und Spüren und Schauen, wo der Weg mittel- und langfristig weiter nach oben führt. Immer wieder zu schauen, wo ist der Zugang zur Energie, zu mehr Energie, zu neuer Energie. Immer wieder das Unwesentliche erkennen und loslassen.

Wir gehen davon aus, dass die eigentliche Essenz von Sex formlos ist, göttlich, unerreichbar, wie ein Leuchtturm, der immer am Horizont ist, egal, wie weit wir segeln. Manchmal kommen wir an diesen Leuchtturm sehr nah heran, haben super-intensive Gipfelerlebnisse, die sich schon vollkommen essenziell anfühlen und zutiefst leuchtend, wundervoll und auch befriedigend sind, und doch ist es charakteristisch für Essential Sex, immer ein letztes Stück Demut, dass wir den “heiligen Gral” niemals wirklich besitzen können, auch wenn uns durchaus Kostproben des Destillates der Lust aus diesem Kelch vergönnt sind.

Auch Essential Sex kennt Praktiken

Essential Sex geht davon aus, dass der Körper das zentrale Vehikel dieser Reise ist, direkt gefolgt vom Bewusstsein. Ein gesunder Körper ist essenziell wichtig und alle Praktiken, mit denen wir durch Atem, Stimme und Bewegung Lebensenergie im Körper wecken und zum Fließen bringen können, sind für Essential Sex maximal hilfreich. Es gibt zahlreiche Atemtechniken, die das Feuer der Lust anfachen und die erlebte Intensität enorm steigern. Eine zentrale Trainings-Praxis des Wild Life Tantra, die nicht zuletzt dazu dient, in diese Erlebniswelt einzutauchen, ist der Active Body Scan, auf den wir später noch genauer eingehen wollen. Meditationspraxis ist ebenfalls hilfreich. Damit ist gemeint, dass es nützlich ist, die Fähigkeit zu trainieren, den eigenen Zustand, die eigenen Impulse und auch die Wechselwirkung mit den Menschen, mit denen wir Sex haben, sehr bewusst wahrzunehmen, und jederzeit selbstwirksam den Kurs zu ändern.

Auf der Bewusstseinsebene ist es wichtig, Offenheit und Durchlässigkeit zu praktizieren. Essential Sex schließt nichts aus, jede sexuelle Subkultur, jede Vorliebe, jede Praxis, kann zur richtigen Zeit und im richtigen Kontext ein starker Booster in Richtung Leuchtturm sein. Zugleich sind Anhaftung oder sogar die Identifikation mit bestimmten Praktiken einer der Hauptbremsfaktoren. Glaubenssätze wie “Ich bin einfach Devot/Dominant”, “Behaarte Körperteile sind eklig”, “Doggy ist meine absolute Lieblingsstellung” usw. sind ihrem Wesen nach immer einschränkend. Sie fokussieren uns auf Äußerlichkeiten, auf Formen, auf Zugehörigkeiten und führen uns damit weg von der Essenz, die eine formlose Natur hat.

Der klassische Weg zu Essential Sex

Unsere Kultur ist immer noch stark davon geprägt, dass die persönliche Sexualität der meisten Menschen erst mal stark im Schatten liegt. Auch wenn Sex in den Medien und der Öffentlichkeit schon omnipräsent zu sein scheint, sind offene und hilfreiche Gespräche über die eigene Sexualität eher selten und meist stark durchwachsen von Scham und bewussten wie unbewussten Tabus, die zu zahlreichen blinden Flecken führen. Bei vielen Menschen ist die Sehnsucht nach sexuellen Gipfelerlebnissen  vorhanden, aber viele wissen einfach nicht, wie sie dahin finden können.

Das Ergebnis ist meistens eine als monogam definierte Partnerschaft, wo der Sex mehr oder weniger ein Schattendasein führt, an den Rändern des Alltags, wenn man eigentlich schon müde ist, bei Schummerbeleuchtung oder im Dunkeln unter der Bettdecke. Am Anfang im Honeymoon gibt es noch den einen oder anderen exzessiveren Sex, der wird aber in der Regel nicht nachhaltig kultiviert und verschwindet einfach mit der Zeit. Das wird entweder hingenommen oder man sucht sich durch Fremdgehen, Doppelleben und Affären kleine Ausflüchte aus der sexuellen Tristesse.

Dann gibt es mehr und mehr Menschen, die an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben entscheiden, ihr Sexualleben in die Hand zu nehmen, ihrer Sexualität mehr Raum und Bedeutung zu geben und sich bewusst Räume zu schaffen, wo sie ihre Sexualität besser ausleben und erforschen können. Logischerweise braucht man dafür andere Menschen, Gleichgesinnte, mit denen man dann auch Sex haben kann, also sucht man sich eine Sex-Subkultur, die zu einem passt, zu der man sich hingezogen fühlt. Die einen gehen zum Tantra, die anderen in BDSM-Clubs, wieder andere in Swingerclubs oder auf private Sex-Partys. Manche daten einfach über das Internet, treffen sich vielleicht im Urlaub in Hotelzimmern usw.

An dieser Stelle purzelt man also in eine neue Welt und ist erst mal eifrig damit beschäftigt, die dort geltenden Spielregeln zu lernen. Es gibt Dresscodes, Konventionen zur Körperpflege und ungeschriebene Verhaltensregeln, vor, beim und nach dem Sex. Anfangs ist man oft verunsichert, dann kommen die ersten Erfolge in Form von tollen Erlebnissen, die nicht selten wie eine Art Initiation erlebt werden. Jetzt gehörst Du dazu, Du bist eine/einer von “uns”, hast eine neue, sexuelle Heimat gefunden. Du warst sehr mutig, hast Dich auf unbekanntes Terrain gewagt und wurdest belohnt. Für eine gewisse Zeit – vielleicht sogar für viele Jahre – bist Du in dieser neuen Welt sehr glücklich, doch passiert es schnell, dass sich eine gewisse Unzufriedenheit meldet …

Was ist passiert? Ohne es zu merken, sind wir auf einer Autobahn gelandet, wo wir die bewährten Verhaltenskonventionen vollautomatisch abspielen und aufpassen müssen, dass wir am Steuer nicht einschlafen und plötzlich ein Unfall passiert. An den Ausfahrten stehen nur unbekannte Ortschaften und wir fühlen uns handlungsunfähig. Was wir haben, langweilt uns, wieder eine Veränderung scheint uns zu anstrengend, war doch die letzte schon so ein großer Schritt, der so viel Mut erfordert hat.

Von hier ist der Weg zu Essential Sex eigentlich nicht mehr weit. Es braucht “nur” die Fähigkeit, Konventionen und Identifikationen wieder loszulassen. Das fühlt sich allerdings oft ziemlich gefährlich an, denn wir sprechen hier von sozialer Absicherung. Essential Sex ist ein wenig wie Freejazz oder freie Bewegungsimprovisation, also ziemlich abgefahrene Kunstformen, die auch nur in entsprechenden geschützten Räumen geschehen können. Genau das ist der Grund für unser Anliegen, Essential Sex als eigene Subkultur zu installieren, so dass Gruppen von Menschen sich darauf verständigen können, dass sie diese Welt gemeinsam erkunden wollen.

Die wichtigste Fertigkeit für Essential Sex ist also auch eine hilfreiche Kommunikation, ein Commitment darüber, dass wir zu jeder Zeit alles sagen können und so gemeinsam Kurskorrekturen Richtung Leuchtturm vornehmen können. Ein Werkzeug, das wir im Wild Life Tantra dafür entwickelt haben, ist die “lustvoll-korrigierende Sprache”. Und es braucht die Bereitschaft immer wieder die alten Gewohnheiten loszulassen und voller Neugier hinzuspüren … Was ist jetzt? Und jetzt? und jetzt?

Essential Sex ist immer wieder anders

Vielleicht hast Du Dich bislang immer als jemanden erlebt, der zärtliche Berührung liebt, Streicheln und sanfte Massage, und plötzlich fühlst Du eine neue Sehnsucht, dass Du gerade mal kräftig, heftig, intensiv oder sogar schmerzhaft berührt werden willst. Solche Impulse kommen meist direkt aus dem Körper und der Geist reagiert misstrauisch darauf. Der Geist ist der Meinung, dass dieser Impuls nicht zu dem Selbstbild passt, das er von Dir hat und der Impuls wird unterdrückt. Essential Sex heißt an so einer Stelle, vertraue Deinem Körper, nimm ihn beim Wort und teile Deine neuen Wünsche Deinem Sexpartner mit.

Vielleicht erlebst Du Unsicherheit, weil Du solche Wünsche noch nie geäußert hast. Vielleicht fehlen Dir die Worte, vielleicht ist da Scham, vielleicht sind da widerstreitende Seiten in Dir, jene, die das Selbstbild konservativ verteidigt, und jene, die sich Veränderung wünscht. Unsere Empfehlung, mach auch all das transparent, sprich auch darüber.

Essential Sex ist für jeden Menschen anders. Jede und jeder von uns bringt seine eigene Biografie mit, eigene Konstitutionen, eigene Charakterzüge, eine ganz eigene Sexualität, wie sie sich bis hier her entwickelt hat und wie sie sich weiterentwickeln möchte. Darum ist es auch essenziell wichtig, dass wir gegenseitig unsere Unterschiedlichkeit würdigen, anerkennen und als etwas Göttliches voller Neugier und Staunen betrachten. Selbstverantwortlichkeit ist extrem wichtig beim Essential Sex. Wir sind in Begegnung, in Verschmelzung und doch ist jeder auch auf seiner ganz eigenen Reise. Wir können einander anfeuern, geile Sachen sagen, Lust und Ekstase verbalisieren. Wir können Fragen stellen und Wünsche äußern, aber was wir nicht tun, ist, dem anderen Ratschläge zu geben. Wir bleiben immer in Demut vor der Einzigartigkeit des Weges zur Essenz des Gegenübers.

Was ist lustvoll-korrigierende Sprache?

Im Flow auf der stetigen Suche nach der Essenz sind Kurskorrekturen unentbehrlich. Der Leuchtturm, von dem wir hier sprechen, springt oft wie von Geisterhand hin und her, und wenn wir mit den hohen Energien von Lust und Ekstase tanzen, dann navigieren wir auf stürmischer See.

Das am häufigsten geschilderte Problem, wenn wir Menschen empfehlen, beim Sex über den Sex zu kommunizieren, lautet: “Ich komme dann in den Kopf und die Energie ist sofort weg.” Das ist auch in unserer Sexkultur ein weitverbreiteter, kollektiver Glaubenssatz, und natürlich ist da auch etwas Wahres dran, das kann in der Tat leicht passieren. Muss es aber nicht.

Der erste Schritt ist es natürlich, diesen Glaubenssatz loszulassen – Vielleicht kannst Du einfach mal aus Spaß, nur zum Ausprobieren versuchen, uns zu glauben, dass es auch anders geht, dass es nur etwas Übung braucht. Wir selbst kommunizieren sehr viel beim Sex – gelegentlich fallen wir dadurch aus der Energie, meistens aber bringt es die Energie aber wie ein Turbo nach oben.

Man kann lustvoll-korrigierende Sprache wohl deutlich besser live erleben und verstehen, als hier, durch das geschriebene Wort, doch wollen wir es versuchen. Lustvoll-korrigierende Sprache unterscheidet sich auf der nonverbalen Ebene fast gar nicht von dem Ausdruck der Lust, den wir mit Atem und Stimme sonst auch beim Sex machen, sie wird einfach nahtlos in das Seufzen, Raunen, Stöhnen, Schreien, Grunzen oder Hecheln mit “eingepflegt”. Es sind Worte, die viel mehr aus dem Körper, ins Besondere aus dem Becken aufsteigen, als aus dem Kopf. Die nonverbale Ebene ist voller positiver Botschaften, d.h. mein Blick, meine Bewegungen, der Klang meiner Stimme, Intonation, Sprechtempo usw., all das drückt aus “Du bist super, Du bist geil, wundervoll, dass Du da bist, wunderbar, dass Du hier und jetzt Deine Lust mit mir teilst, Du machst das super, ich danke Dir für Deine liebevolle Hingabe, dass Du Dir Mühe gibst, dass Du Dein Bestes gibst!!!!!” – Du bleibst während der Kurskorrektur also ganz in der Energie, ganz mit Deinem Körper und Deiner Lust verbunden.

Vielleicht geht es auch um eine so wesentliche Kurskorrektur, dass Du aktuell noch gar nicht lustvoll bist, weil die Art der Berührung, der Bewegung, des sexuellen Ausdrucks Deines Partners für Dich gerade gar nicht funktioniert – dann hol Dir die Lust-Energie aus der Antizipation, dass Deine Kurskorrektur erfolgreich war. Lade Deine Worte auf mit der Fantasie, dass Dein Partner Deine Botschaft hört und perfekt umsetzt. Die Magie dabei ist, dass Dein Wunsch für Dein Gegenüber auch viel besser verständlich wird, wenn Du die entsprechende Energie gleich mitlieferst, und viel leichter umzusetzen. Kritik ist viel leichter – gerade zu genussvoll – anzunehmen, wenn sie eingebettet ist in eine lustvolle Botschaft auf der nonverbalen Beziehungsebene. Die Widerstände sind viel geringer.

Nehmen wir an, ihr seid gerade in der sexuellen Vereinigung, ihr vögelt gerade. Dein Partner ist eifrig damit beschäftigt seine Energie aufzubauen durch schnelle, wilde und eher flatterhafte Stoßbewegungen und Du hast gerade Sehnsucht nach ruhigen, bewussten, kraftvollen, tiefen, eher seismischen Stößen, um Energie von einer anderen Qualität aufzubauen. Die klassische Ich-Botschaft, wie sie verschiedene Kommunikationsschulen lehren, könnte lauten “Warte mal, ich wünsche mir gerade was anderes, lieber so kraftvolle, tiefe Stöße.” – Beim Sex führt das dazu, dass die Energie sofort zusammenbricht, wahrscheinlich auch die Erektion. Warum? Weil die nonverbale, energetische Ebene komplett missachtet wird. GfK und andere Kommunikationsschulen sind sicherlich gut und wertvoll, und sie sind nicht für diesen Kontext entwickelt worden. Der Subtext so einer Botschaft ist “Hör auf. Es ist nicht geil.”

Lustvoll-korrigierende Sprache könnte in dieser Situation könnte so aussehen: “OH JAAA! Genau! Gib’s mir, ja so schön Stoß für Stoß! Ja bitte, so, langsam, noch langsamer, ja!, diese seismischen Stöße, ganz tief rein, ja, so kraftvoll!!!!” – dabei ein intensiver Blickkontakt, aufgerissene Augen und die Bewegungsqualität dabei gleich aktiv mit dem Körper vormachen, so wie man beim Tanzen mit dem Körper führt. – “Oh ja! Oh Gott! Halt kurz still, ich will Dich ganz spüren! Aaaah Jaaahhh!”

Was ist anders? Die Energie und das Halten der Energie hat Priorität – logisch, denn wir wollen ja gemeinsam zur Essenz reisen, und natürlich wollen wir die Energie, die schon da ist, auch halten. Essenz heißt auch, sich zu fragen: Was ist gerade wirklich wichtig? Worum geht es hier? Wenn es Dir darum geht, Deinen Partner zu erziehen oder die Beziehung mal gründlich zu klären, dann fahr die Energie runter und kreiere ein Feld für ein zielführendes Beziehungsgespräch. Wenn Lust das Ziel ist, dann sei lustvoll!

Essential Sex ist eine Entscheidung

Lustvoll-korrigierende Sprache kann nur funktionieren, wenn sie kongruent ist. Kongruenz bedeutet in der Kommunikation, dass auf allen Kommunikationsebenen ähnliche Botschaften gesendet werden, die einander also nicht widersprechen, sondern miteinander harmonieren und einen schönen Akkord bilden. Inkongruente Botschaften sind für den Empfangenden sehr irritierend, gerade beim Sex, weil in diesem lustvoll-lebendigen Zustand alle Sensoren weit geöffnet sind. Die Dissonanzen zwischen den Botschaften aktivieren sofort die inneren Alarmglocken und das System schaltet auf Rückzug oder Verteidigung. Darum kann lustvoll-korrigierende Sprache nur aus einer authentischen Haltung heraus funktionieren.

Hierfür ist es wichtig, sich selbst dafür zu sensibilisieren, ob man Sex gerade mit anderen Themen vermischt. Essential Sex bedeutet, sich für diesen Moment wirklich ganz für den Sex zu entscheiden, wirklich zu sagen “Ja, ich will jetzt Sex! Ich habe Lust auf Sex und jetzt gerade gibt es nichts Wichtigeres!” – Es gibt viele andere Bedürfnisse, die auch mit Liebe, mit Begegnung und/oder mit Berührung zu tun haben, die wir gern mit Sex vermischen, was ganz natürlich ist und auch völlig okay. Bedürfnisse wie Nähe, Gesehen-Werden, Zärtlichkeit, Gehalten-Werden, Kuscheln usw. Vieles davon erfüllt sich ohnehin, wenn Essential Sex gelingt, die Energie steigt ohnehin vom Becken auch auf ins Herz, die Liebe fließt mit. Das kommunikative Zusammenspiel im Essential Sex erzeugt ganz von selbst Nähe und stärkt die Beziehung. Zärtlichkeiten finden auf ganz natürliche Weise Raum.

Und doch ist die Fokussierung essenziell, wenn wir Essenz erleben wollen. Fokussierung der Aufmerksamkeit ist Fokussierung der Energie. Du kannst der Lust und dem Sex Energie geben, oder der Störung, dem Problematisieren. Das ist eine Entscheidung, ein Commitment. Es braucht etwas Übung, Meditationspraxis ist hilfreich, um zu bemerken, wenn Du die Verbindung zu Deinem Sex verlierst. Die Kurskorrektur erfolgt zuerst in Dir selbst und erst von dort fließt sie in die Begegnung.

Jeder ist für seine Lust selbst verantwortlich

Ein entscheidender Grundsatz von Essential Sex ist, dass jeder für seine eigene Lust zu 100 % selbst verantwortlich ist. Es ist nicht Deine Aufgabe oder Pflicht, mich zu stimulieren, mich heiß zu machen, mich zu entspannen, mich in Stimmung zu bringen. All das kann ich selbst. Ich kann Wünsche äußern, Sehnsüchte, Dich anfeuern, Dir heiße Ansagen machen und wenn’s Dir gefällt, dann tust Du diese Dinge – Wenn nicht, kein Problem, ich kann für mich sorgen, ich bin erwachsen, mir ist bewusst, dass meine Lust Teil meines inneren Erlebens ist, welches allein von mir, meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele erzeugt wird, und ich weiß da selbstwirksam Einfluss drauf zu nehmen.

Darum ist es typisch, wenn auch nicht obligatorisch für Essential Sex, dass sich die Partner immer wieder selbst stimulieren. Wir liegen oft nebeneinander, machen genüsslich “Pause” und stimulieren uns selbst, tauschen dabei vielleicht heiße Blicke oder Worte aus, unterstützen uns gelegentlich ein bisschen und lassen wieder ab, küssen uns, und jede/r von uns reitet seine eigene Orgasmuswelle im eigenen Tempo, für eine Zeit segeln wir nebeneinander auf den Leuchtturm zu und nehmen dabei richtig viel Fahrt auf.

Genauso nehmen wir uns auch zielführende Unterbrechungen. Vielleicht will die eine mal ein bisschen tanzen zwischendurch, um den Körper zu lockern und die Energie nachwirken zu lassen, den gelungenen Sex zu feiern, während der andere kurz nach nebenan geht und sich einen Kaffee macht und einen Snack, um Energie von außen zu tanken. und nach 20 Minuten kommt man wieder zusammen, ruft selbstverantwortlich die Lust und reitet die nächste Welle.

Typisch für Essential Sex ist eben auch, dass man sich viel Zeit dafür nimmt, Raum für Plateaus und verschiedene Wellen, und sich dafür einen geschützten Raum kreiert, zu einer Tageszeit, wo man viel Energie hat und frei von Störfaktoren wie Messenger/Telefon/E-Mail, sodass man sich ganz der Essenz widmen kann.

Orgasmen und “Ejakulationskontrolle”

Es gibt hartnäckige Gerüchte, Mann dürfe im Tantra nicht ejakulieren. Das ist falsch und aus tantrischer Sicht unsinnig. Dahinter stecken Ideen, die aus dem Taoismus zum Teil ins Neotantra hinübergeschwappt sind. Auch aus Sicht von Essential Sex, was wir hier ja begrifflich bewusst von Tantra abgrenzen, macht es keinen Sinn. Zum einen ist es ein einschränkender Glaubenssatz, zum anderen hat die energetische Entladung im Orgasmus essenziell was mit Loslassen zu tun. Der Orgasmus wird nicht ohne Grund in manchen Sprachen auch als “der kleine Tod” (frz. “La petite mort”) bezeichnet. Im Tantra ist Kali, die Vernichterin und Tod-Bringerin, die wichtigste Göttin neben Shakti.

Taoistische Meister wie der populäre Mantak Chia sprechen davon, dass der Mann durch das Ejakulieren Lebensenergie verlieren würde, wobei diese Idee Energie zu horten schon beinahe kapitalistisch anmutet. Aus tantrischer Sicht ist es das Wesen der Energie zu fließen, zu atmen, sich auf- und abzubauen. Energie geht auch nicht verloren, sie wird transformiert. Wenn wir uns erleben als verbundener Teil des Universums, des großen Ganzen, kann sie gar nicht verloren gehen. Sie breitet sich aus, wird feinstofflich, verbindet uns mit dem Göttlichen. Oberflächlich betrachtet, aus Sicht des Egos, scheinen wir danach energielos zu sein, weil sich Müdigkeit einstellt, die Muskelspannung stark zurückgeht. Man könnte den Zustand darum für “kraftlos” halten, doch befindet sich Shiva aus tantrischer Sicht in einem ganz anderen, sehr kraftvollen Zustand, der von großer Weite, Durchlässigkeit und Transzendenz gekennzeichnet ist.

Der (kleine) Tod ist die Pforte zur Formlosigkeit und mit der sexuellen Entladung bekommen wir einen Schluck aus diesem Graal und sind aufgeladen mit einer großen Spirituellen Kraft, wenn auch der Körper schlafen will, nachspüren, ruhen, integrieren und in Stille und Frieden die Schöpfung feiern. Dieses Geschenk kann der Shakti ebenso zuteil, auch der Körper der Göttin kennt solche kleinen Tode, Orgasmen der Entladung. Ihre Welt der Orgasmen ist jedoch von anderer Natur, ist komplexer, verworrener, tiefer und mystischer als der strahlende Sex von Shiva. Solche Orgasmen sind bei Frauen nicht unbedingt an Ejakulationen gekoppelt, können aber damit einhergehen. Sie können im Kontext klitoraler Orgasmen genauso auftreten wie bei der bunten Vielfalt der möglichen Orgasmen aus der tieferen Yonistimulation wie bspw. G-Fläche, A-Zone, Cervix oder sogar Uterus.

Die Orgasmusfähigkeiten, wie alle anderen sexuellen Fähigkeiten auch, können medizinisch auch wie Fähigkeiten betrachtet werden, die man durch regelmäßigen Sport, durch Training erlangt. Sex ist Beckenbodentraining. Masturbation ist Beckenbodentraining. Auch nicht-sexuelles Beckenbodentraining wie Beckenboden-Yoga oder physiotherapeutische Interventionen sind unterstützend und Sinnvoll für Essential Sex und Sex im Allgemeinen. Insbesondere Orgasmen gehen immer einher mit verschiedenen Kontraktionswellen in der komplexen Beckenbodenmuskulatur. Regelmäßige, intensive Orgasmen sind sehr gesund. Es gibt auch aktuelle Studien, die sagen, dass regelmäßiges Ejakulieren (öfter als 21x pro Monat) das Risiko für Hoden und Prostatakrebs signifikant mindert. Mit Gebärmutterkrebs verhält es sich wahrscheinlich ähnlich.

Sowohl Männer als auch Frauen sind aber zu einem ganzen Reigen orgastischen Erlebens fähig. Diese Welt zu bereisen, zu erforschen und hier Virtuosität zu erlangen, ist ein wirklich wesentlicher Teil von Essential Sex. Die meisten Menschen erleben in jungen Jahren im einen bestimmten Orgasmus, der dann für das weitere Leben zum Prototypen wird, gerade so wie beim Küken nach dem Schlüpfen das Erste erblickte Wesen, die Mama ist. Sie haben eine bevorzugte Technik, dieses Erlebnis wieder und wieder herbeizuführen und bleiben in diesem Erlebnisspektrum verhaftet. Dies ist völlig verstehbar, so wir doch nichts anderes kennen und es uns darum auch kaum vorstellen können.

Beginnen wir aber dazuzulernen, entdecken durch irgendeine Form der Sex-Education wie bspw. Tantra, Taoismus, Sexological Bodywork u.v.a. neue Möglichkeiten der Stimulation, des Lustaufbaus, der Ekstase und der Orgasmen, öffnet sich plötzlich dieser nach oben unbegrenzte Raum der wollüstigen Ekstase. All diese Schulen sind hilfreich. Ein wichtiger Punkt sind dabei die verschiedenen Arten von Beckenbodentraining. Wenn wir Sex haben, und insbesondere wenn es um Orgasmen geht, dann hat das viel mit der Beckenbodenmuskulatur zu tun. Wenn wir sie trainieren und schulen, dort eine gewisse Feinmotorik entwickeln, ein Bewusstsein für die gezieltes und kraftvolles An- und Entspannen bestimmter Bereiche, dann können wir genau wie beim Spiel eines Musikinstrumentes Virtuosität und Meisterschaft erlangen. Essential Sex ist Freejazz auf der Klaviatur der Lust.

Das ist auch ein entscheidender Unterschied zu klassischem Tantra und anderen Schulen: Wir lernen die Techniken vor allem, um sie dann wieder loszulassen, nur um die Bewusstheit und die Fertigkeiten zu trainieren und arbeiten danach völlig formlos und Ergebnisoffen mit unseren Instinkten und der Intuition. Impulse finden, erlauben und zu 100 % ausleben ist das Wesen von Essential Sex, welches wir im Active Body Scan auch schon kennenlernen und üben. Impulse können dabei alles Mögliche sein: Ganz feine Bewegungen, wie bestimmte Bereiche im Beckenboden anzuspannen oder loszulassen, bis hin zu heftigen und intensiven Bewegungen. Impulse können Schreie sein, Veränderungen des Atems oder der Wunsch nach bestimmten Stimulationen, egal ob genital, anal, im Mund, an den Brustwarzen, an den Ohren, den Füßen oder sonst wo. Egal, ob durch Dich selbst oder durch den Partner.

Impulse sind es auch als Frau zu ejakulieren oder als Mann durch leichtes Entspannen den “Sehnsuchtstropfen” fließen zu lassen oder sich für die komplette Entladung zu entscheiden. Es gibt keine Einschränkung. Hemmungslos Ficken, meditativer Slow-Sex, Energy-Sex, Lustgewinn durch Schmerz, intensives Verschmelzen in unendlicher Liebe und dabei in Zungenküssen ertrinken, 69, 88, Fesseln, Vollspritzen, Gesicht vollsabbern, Natursekt und Kaviar, Rape-Play, Bondage, Fetisch, Yoni-Lingam-Meditation, Pornos gucken, Pornos drehen, Gangbang, Bukkake – Essential Sex kennt keine Einschränkungen und erlaubt euch, das alles in einem großen Hexenkessel aufzukochen, solange eines gegeben ist: Das Commitment zur stetigen Suche nach dem Destillat der Heiligen Lust – das Wesentliche vom Unwesentlichen zu entkleiden – dann ist es Essential Sex.

Im Essential Sex sprechen wir speziell beim Mann auch nicht von “Ejakulationskontrolle”, sondern wir bevorzugen das Wort “Ejakulationskompetenz”. Die Schlüssel dazu sind zum einen die geschilderten Fähigkeiten im Umgang mit dem Beckenboden. Besonders hilfreich ist es auch herauszufinden, wie man durch Massage-Ausstreichungen ausgehend vom Beckenboden rund um Skrotum und Penis entweder über den Herzraum in die Arme über die Fingerspitzen hinaus oder nach unten über die Beine und Fußspitzen hinaus, die sexuelle Energie im Körper verteilt. Mit etwas Übung kann man so relativ leicht Ganzkörperorgasmen herbeiführen. Diese sind meistens weniger intensiv als ejakulative Orgasmen, können aber auch sehr heftig werden, sie zeigen sich durch Zittern, Schütteln und Erbeben. Tiefes Atmen und Tönen Unterstützt sie.

Es ist auch möglich, den Hals weit zu öffnen und durch tiefes Atmen und lautes Tönen sexuelle Energie nach oben zu entladen und dadurch den Schoßraum zu entlasten. All diese verschiedenen Möglichkeiten in Kombination mit den zahllosen Möglichkeiten der Stimulation, in Kombination mit Inneren Bildern und heißen Fantasien und in Kombination mit lustvoller Kommunikation (Anfeuern, Flehen und Danken, Dirty Talk, heiße Komplimente usw.) bilden zusammen die Sex-Welt, in der wir im wilden Treiben nach der Essenz suchen, immer wieder neu, immer wieder unerwartet, immer hier und jetzt.

Offene Metakommunikation

Essential Sex kann natürlich auch in einem größeren Maßstab gesehen werden, bspw. als eine Reise mit einem festen Partner über mehrere sexuelle Begegnungen oder in einer festen Beziehung über Jahre, da ist es natürlich gut, wenn man auch eine gesunde Kommunikation außerhalb der Lusträume installiert, wo man auch über Essential Sex spricht, also eben nicht mit lustvoll-korrigierender Sprache, sondern bspw. in Spiegelgesprächen wie wir es in unserem Buch “Die Buddha-Beziehung” vorstellen oder jede andere geeignete Art von Beziehungsgesprächen. In solchen Räumen geht es darum, die eigenen Erlebnisse der Vergangenheit und die eigenen Hoffnungen, Wünsche und Fantasien für die Zukunft für den Partner mehr und mehr fühl- und verstehbar zu machen. Möglichst ohne etwas zu fordern, nimmst Du den anderen mit in Deine Essential-Sex-Erlebniswelt. Sei in Deiner Sprache auch hier lustvoll, explizit, genau, detailverliebt und mit vielen Adjektiven, starker Bildsprache, alles, was hilfreich ist, dass der Andere ins Miterleben, mitschwingen, in die Empathie finden kann. Mach es Deinem Gegenüber leicht Dich zu fühlen, selbst und gerade auch, wenn Du Kritik äußerst.

Active Body Scan

Der Active Body Scan ist eine zentrale Praxis bei Wild Life Tantra, die wir regelmäßig im Training anleiten und auch ausdrücklich für den Alltag als regelmäßige Praxis empfehlen. Active Body Scan ist in bestimmter Weise fast das gleiche wie Essential Sex, nur allgemeiner und alltäglicher. Wenn wir den ABS anleiten, gibt es bestimmte Praktiken, die dabei immer wieder auftauchen, prinzipiell ist er aber auch ein Suchen nach Essenz und damit tendenziell formlos. Wichtig ist dabei, dass es ein nicht endender Fluss von Wahrnehmung und Ausführung von Körperimpulsen ist, kontinuierliches Atmen, Tönen und Bewegen. Man kann das Zuhause auch einfach morgens für fünf oder zehn Minuten tun, zum Einstieg in eine lustvolle Begegnung, oder wann immer man das Bedürfnis nach Energie, Präsenz und Selbstfürsorge hat.

Bei uns im Tantratraining hat der ABS eine sehr charakteristische Rahmen-Form, die wir stets flexibel anpassen, abhängig davon, wie die Energie der Gruppe ist und wo wir sie hinbringen wollen, also welche Trainingsprozesse geplant sind und wie wir diese am besten bahnen und vorbereiten können. Wir bitten darum, die Augen während des gesamten Active Body Scan geschlossen zu halten um die Aufmerksamkeit wirklich nach innen und ins Fühlen zu bringen, wie bei einem klassischen Body Scan im Achtsamkeitstraining. Dann beginnen wir eigentlich immer mit dem Recken und Strecken, Rekeln und Gähnen und zwischendurch mit dem Ausatmen, die Arme fallen lassen und nachspüren. Das hat den Grund, dass das Rekeln ein animalischer Instinkt ist, der bei allen Säugetieren zu finden ist. Es ist ein instinktives, aktives sich-selbst-Aufwecken. Körper und Seele machen sich nach dem Schlafen bereit für einen aktiven Tag, vielleicht fürs Jagen und Balzen, oder was auch immer ansteht. Die Muskulatur wird durch die verschiedenen Dehnungen belebt und durchblutet, die Aufmerksamkeit steigt, der Körper wird wach und der Atem beginnt fast von selbst tiefer zu fließen. Der gesamte Stoffwechsel wird aktiviert.

Anders als beim Yoga wird im ABS jede Dehnung im Moment gesucht. Die Leitlinie ist dabei der Genuss, also immer wieder hinzuspüren, wie will sich Dein Körper in diesem Moment dehnen und ausbreiten, was fühlt sich guuuut an, wo kannst Du Dir noch mehr Raum nehmen. Die Dehnungen sind niemals statisch, sondern immer dynamisch, suchend, geschmeidig und es gibt immer wieder leichte Veränderungen und Anpassungen, was fühlt sich gut an. Dadurch übst Du auch, auf Deinen Körper zu lauschen, ihn ernst zu nehmen, Deinen inneren Signalen und Instinkten wieder mehr und mehr zu vertrauen und zu folgen. Genau das tust Du auch im Essential Sex permanent.

Allein in dieser Dehnungspraxis wirst Du merken, dass sich innere Zugänge zur Energie öffnen, dass sich Deine Lebendigkeit immer mehr entfalten will. Das Wilde Wesen erwacht, die Lust zu leben und die Lust zu leben. Wir nehmen uns dabei, für jede Phase viel Zeit, um in das Erleben möglichst tief einzutauchen. Wir beginnen im Stehen mit den Armen und der Länge nach oben, später nehmen wir andere Richtungen dazu und schlussendlich auch den ganzen Körper von Kopf bis Fuß.

Das regelmäßige Loslassen zwischendurch, wo wir die Arme mit einem Seufzer richtig fallen lassen, dient dazu, dass wir das bewusste Wechselspiel von Spannung und Entspannung üben. Auch das ist extrem hilfreich für Essential Sex. Entspannung ist ein essenzieller Zugang zur Lust. Das Loslassen gibt uns Raum zum Sein und Nachspüren, bewusst wahrzunehmen, wie die Praxis unseren Körper und unseren Gesamtzustand verändert, dem Körper Zeit zu geben, dass ein neuer Impuls aufsteigen kann, von dem wir vorher nicht wissen, was es sein wird.

Im späteren Verlauf des ABS laden wir dann auch kräftigere Impulse wie Schütteln, Zittern oder auch Schattenboxen ein. Je mehr wir in diesen Zustand des wilden Wesens kommen, unseren Instinkten vertrauen und die Impulse erlauben, desto animalischer wird der ABS mit der Zeit. Oftmals gehen wir später dann auch zum Boden in den Vierfüßlerstand, wo wir intensive Bewegungen der Wirbelsäule einladen und verschiedene, wilde Tierlaute und ungezügelte, animalische Atemimpulse wie Hecheln, Schnaufen, Wittern, Grunzen usw. Der Leitfaden bleibt immer wieder die Frage, wo ist noch mehr Energie, wo ist noch mehr Genuss.

Manchmal bauen wir auch Elemente aus dem Butoh-Tanz ein oder aus dem Tandava, der tantrischen Atemwelle nach Daniel Odier. Wir arbeiten gern hypnotisch mit starken, inneren Bildern aus der Natur. So kannst Du auch sitzen und Dir vorstellen, dass Du eine Wasserpflanze, die sich mit jedem Einatmen aufrichtet und jedem Ausatmen in sich zusammen sinkt, während ihre Tentakeln (Deine Arme) von der Strömung immer wieder unvorhersehbar und chaotisch in verschiedene Richtungen gezogen werden. Solche Elemente schulen die Hingabefähigkeit, die Durchlässigkeit, was Basisfähigkeiten sind, die wir brauchen, um mit starken Energien zu tanzen. Es ist eine Embodiment-Technik, die uns beim Loslassen unterstützt, bspw. beim o.g. Loslassen unserer Identifikation mit bestimmten Sex-Subkulturen.

Folge dem Genuss!

Die Leitlinie, der wir sowohl beim ABS als auch beim Essential Sex folgen, ist der Genuss. Dabei ist es wichtig, den Begriff “Genuss” zu differenzieren, wo die Alltagssprache leider verschiedene Genuss-Phänomene vermischt. Deswegen ist der Begriff in unserem Wertesystem auch sehr ambivalent behaftet. Neben seiner offenkundig positiven Bedeutung, dass es gut ist, wenn wir etwas als genussvoll erleben, kennen wir auch toxische Genüsse, Maßlosigkeit, Süchte, Genuss der auf der Ausbeutung anderer beruht usw. und die philosophischen Diskurse rund um den Hedonismus vs. der christlichen Werte der Enthaltsamkeit.

Wenn wir von Genuss sprechen, dann meinen wir das Genuss-Erleben, welches wir aus uns selbst schöpfen können, aus der göttlichen Quelle in uns. Die Zugänge dabei sind neben unserem Körper auch das Wirklichkeits-Erleben, welches wir durch unsere Aufmerksamkeitsfokussierung neurologisch erzeugen. Beides sind selbstwirksame Zugänge. Es liegt in unserer Macht, in uns Genuss zu erzeugen. Auf neurologischer Ebene können wir das durch Meditation und (Selbst-)Hypnose steuern, auf Körperlicher Ebene durch die Arbeit Atem, Stimme und Bewegung bspw. beim ABS.

Oftmals hält uns die oben erwähnte Ambivalenz des Wertes von Genuss, bewusst oder unbewusst, davon ab, uns Genuss wirklich zu erlauben und ihm zu vertrauen. Dabei ist die ursprüngliche Biologische Funktion des Phänomens die, uns darauf hinzuweisen, was gut für uns, welche Nahrung gesund ist, welche Tätigkeiten der Erhaltung der Art dienen usw. Die patriarchalen Wertekodizes haben uns über Jahrtausende einzureden versucht, dass hinter dem Genuss der Teufel steckt. (Das Wort “Teufel”, engl. “Devil”, kommt, stammt übrigens aus dem Sanskrit von “Devi”, was “Göttin” bedeutet – Das lässt tief blicken!) Deswegen haben wir instinktiv Angst ihm zu vertrauen, aus Angst vor Sünde und sozialer Ächtung.

Diesen – nennen wir ihn mal “göttlichen” Genuss ganz in unserem neuen Wertesystem und unserer Erlebniswirklichkeit ankommen, wirken und gelten zu lassen, um seiner Führung zu vertrauen, ist ein Lernprozess, der Übung braucht. Unter anderem deshalb heißt es Tantratraining. Die Fähigkeit Essential Sex zu erleben, wie auch bspw. die Orgasmusfähigkeit und andere praktische, sexuelle Fähigkeiten hängen unmittelbar mit diesem Lernprozess zusammen. Active Body Scan wie auch Essential Sex sind auch Trainingsmethoden für Dein Vertrauen in den göttlichen Genuss. Die Heilige Lust ist damit auch nahe Verwandt.

Ebenfalls notwendig dafür ist das Training Deiner Schamkompetenz, was den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Wir verweisen diesbezüglich auf den Wild Life Podcast Folge 47 “Lustvoll leben dank Schamkompetenz”.

Was den “göttlichen Genuss” besonders charakterisiert ist, dass er nährend ist. Er ist Nahrung für die Seele und damit auch ganzheitlich heilsam, aktiviert die Selbstheilungsprozesse des Körpers, stärkt das Immunsystem, hilft bei Depressionen und stärkt die Libido. Genüsse wie bspw. Chips essen vor dem Fernseher zehren eher an Deiner Substanz.

Essential Sex schließt nichts aus.

Alles ist erlaubt. Essential Sex kann jede sexuelle Praxis einschließen. Alles, was euch dem Leuchtturm näher bringt, ist willkommen. Der eine oder die andere vermisst an dieser Stelle vielleicht das Wort “einvernehmlich”, das ist Absicht. Wild Life Tantra lehrt als Sicherheitskonzept ausdrücklich Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit. Wenn wir mit hohen Energien tanzen wollen und spirituelle Gipfelerlebnisse der Heiligen Lust haben wollen, dann müssen wir als erwachsene Menschen in die Begegnung gehen und in der Lage zu sein, für uns selbst zu sorgen. Es ist im Kontext von Tantra und von Essential Sex klar, dass wir einander genauso respektieren, wie uns selbst und akzeptieren, wenn uns das Gegenüber eine Grenze setzt. In unseren Seminaren gilt immer die Stoppregel, “Stopp” heißt sofort aufhören und die Situation klären.

Wir sind aber keine Verfechter von Konsens-Konzepten, die oft sehr starr und moralisierend sind. Sie erlauben uns nicht wirklich, mit den Naturgewalten zu tanzen. Wenn wir das wirklich wollen, dann müssen wir in der Lage sein, für uns zu sorgen. Das muss gar nicht heißen, dass wir in jedem Moment wissen, was wir wollen und was nicht, geschweige denn, Worte haben es zu formulieren. Das ist auch gar nicht nötig. Wir können zu jeder Zeit lust- und/oder liebevoll eine Pause herbeiführen, uns in der Begegnung Raum und Zeit nehmen, erst mal hinzuspüren, erst mal herauszufinden, was vielleicht gerade nicht stimmt, welche Kurskorrektur Du gerade brauchst.

Anders als das “Stopp” ist eine gut eingebettete Tempokorrektur, ein Innehalten, ein “Warte mal, ich will gerade spüren” ein ganz organischer Teil des großen Bogens von Essential Sex, keine Störung, sondern eine wichtige und essenzielle Kurskorrektur.

Wir, Tandana & Chono, sind der Essenz schon seit vielen Jahren auf der Spur. Es lohnt sich! Wir finden immer neue Gipfel, immer neue Facetten, immer neue Welten der Lust, auch mit immer neuen Menschen. Wild Life Tantra und der Pfad des Wilden Lebens sind ein Spiegel dieser Reise. Alles, was wir an Methodik entwickeln, stammt direkt aus unserem persönlichen Liebeslabor. Wir hoffen, euch inspiriert zu haben und freuen uns über eure Gedanken, Eindrücke und Erfahrungen.

Eine wilde, geile und essenzielle Zeit wünschen wir euch!
Chono

 

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