Vom Durchbruch des wilden Wesens und dem inneren Rieseln

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Wohin will sich mein Körper jetzt eigentlich wirklich bewegen? Ich schließe die Augen, löse die Finger von den Tasten des Computers, nehme den Fuß vom Wiedergabepedal runter, den Kopfhörer ab und lasse meine Schultern sinken. Ein wonniger Moment der Ruhe überkommt mich. Ich  lasse meine Oberarme sinken. Träge fallen die Hände auf meine Oberschenkel. Da hinein fällt ein tiefes, leises und sehr befreiendes Ausatmen.

Und dann ein Luft-holen-wollen. Ich geb dem nach. Nun will mein Kopf nach vorne sinken, mein Nacken ist irgendwie zu eng. Ich lasse den Kopf hängen. Herrlich, dieses Gefühl, diese Spannung nun nicht mehr halten zu müssen, einfach nur wonnig. Kleine und sehr, sehr langsame Bewegungen mit dem Kopf nach links und rechts verstärken mein Wohlgefühl. Wie paradiesisch es sich plötzlich wieder anfühlt, in diesem Körper zu wohnen! Es rieselt überall, besser beschreiben kann ich es nicht, und es macht mich einfach glücklich.

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Mit neuer Kraft öffne ich die Augen, stelle das Band wieder an, nehme die Kopfhörer wieder und drücke mit dem Fuß auf “Weiter”. Ich haue in die Tasten, ich werde dafür bezahlt, schnell zu schreiben. Klageschriften, Abmahnungen, Rechnungen, Verteidigungen, Sammelklagen, Schriftsätze, Briefe an Klienten, ich schreibe alles, was im Ständer hängt, Akte für Akte.

Es ist Herbst 1994.

Nach meiner Tanzausbildung musste ich Geld verdienen, und die 20 Stunden Tippen im Anwaltsbüro wurden erfreulich gut bezahlt. Aber da wollte ich nicht bleiben, das hatte ich mir schon am ersten Tag geschworen. Die kettenrauchende Bürovorsteherin hatte mir mit einem abwertenden Blick auf meine Figur einen langen Vortrag darüber gehalten, dass Dünnsein ungesund ist und zu vielen Krankheiten führt. Ich staunte über die Fremdheit des Planeten, auf dem ich da gelandet war.

Sex interessierte mich damals herzlich wenig. Klar war ich gern verliebt und genoss die Schmetterlinge in meinem Bauch. Aber ich wollte damals etwas ganz anderes. Ich wollte leben. Ich wollte lebendig sein. Ich wollte mich endlich nicht mehr als Zuschauerin fühlen, sondern selber mitten im Leben sein, lachen, weinen, Leidenschaft fühlen.

Jahre zuvor

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…hatte ich einige Semester Theaterwissenschaft studiert. Im Praxisseminar „Regie und Schauspiel“ hatte ich mich nicht getraut zu spielen. Als ich nur einen Moment lang vorn auf der Bühne stand, erfasste mich ein derartiges Lampenfieber, dass mir schlecht wurde, mein Herz raste und ich Atemnot bekam. Ich wusste nicht, warum, ich verstand mich selbst nicht.

Für meine Mitstudenten schien das einfacher zu sein, sie hatten sogar Freude daran, auf der Bühne zu stehen und sich zu zeigen. Ich mied das Rampenlicht fortan und meldete mich zum Regie-führen. Das gelang mir gut, so gut, dass wir wenige Zeit später eine Studenten-Theatergruppe gründeten.

Unter meiner Regie

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…studierten wir ein absurdes Theaterstück ein: „Auf hoher See“ von Slawomir Mrozek. Aber am Premierenabend in der „Scheinbar“, als wir die gelungene Premiere feierten und meine Schauspieler, aufgedreht von der guten Vorstellung, wild herumalberten, merkte ich, dass mir etwas fehlte. Ich wollte eigentlich auch ganz gern auf der Bühne stehen, so im Scheinwerferlicht. Ich wollte eigentlich lieber selbst leben und nicht mehr nur den anderen beim Leben zuschauen. Ich wollte selbst mittendrin sein im Strudel des Lebens. Zu fühlen, dass ich dort nicht war, machte mich unendlich traurig. Zu fühlen, dass mein Leben verging, ohne dass ich gesehen werden konnte, und ohne dass ich lebendig geworden war, war fast nicht auszuhalten.

Es brauchte eine Weile, bis ich zum Theater oder vielmehr zur Schauspielarbeit fand. Es war ein Weg mit vielen Umwegen, die hier jetzt keine Rolle spielen sollen. Ich kam zur Strasberg-Schauspielarbeit, einer Methode, bei welcher der Schauspieler sich auf der Bühne authentisch zeigt und die Rolle verkörpert. Sie findet üblicher Weise eher beim Film Anwendung als auf der Theaterbühne.

Wie darf man sich das vorstellen?

Wir sollten auf einem Stuhl sitzen, die Augen schließen, und nur auf die Impulse unseres Körper hören. Wenn dann der Körper einen Impuls verspüren ließ, galt es, diesen ganz unverfälscht zu erlauben und auszuagieren. Nicht größer machen, nicht kleiner, nicht verändern, sondern den Impuls genau so leben lassen wie er ist. Und Atem, Stimme, Gefühl, alles fließt mit in diesem Impuls – so natürlich wie er sich ausdrücken möchte.

Die Lehrerin war streng. Wenn kein Impuls da ist, sollten wir einfach nur sitzen bleiben und nichts tun. Es gab Schüler, die saßen den ganzen Abend. Wir sollten auch nicht irgend etwas Willkürliches tun, sondern wirklich nur den Impulsen nachgeben, die aus dem Körper herauskommen wollen. Impulse, die nicht wirklich aus dem Körper kamen, hieß sie uns abzubrechen, um auf den Stuhl und ins Nichtstun zurückkehren.

Impulstanz, Tanz, modern, bewegung, ausdruck, bühne, präsenz, wild, tantraAm Anfang war ich etwas benebelt nach dem Training, ich fühlte mich wie in Trance. Das war etwas völlig anderes als mein bisheriges und auch schon bewegtes Leben. Ich hatte schon viel getanzt, Butoh und Kontaktimprovisation gemacht, Jazz und Modern und mochte den New Dance und das Bewegungstheater, aber so etwas hatte ich noch nie erlebt. Dieses Ganz-nach-Innen-gehen und im Grunde nichts zu tun, sondern nur geschehen zu lassen, war irgendwie stark. Ob ich damit nun Schauspielerin werden würde oder nicht, irgendwie war es mir fast egal. Auf jeden Fall machte es mehr und mehr Spaß, diese Impulse zu finden und sie geschehen lassen. Und erstaunliche Dinge passierten mit mir: In einer Sitzung stand ich nach drei Minuten auf, ich schrie und weinte, fast die ganze Sitzung über, völlig unvermittelt und trotzdem total im Flow. Bilder kamen und gingen, und als die Stunde vorüber war, fühlte ich mich wie neu geboren.

Die zweite Geburt

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Fortan widmete ich mich also der Impulserforschung. Mein bisheriges Leben versank hinter mir. Ich wollte nicht mehr choreografisch tanzen, ich hatte keine Lust mehr auszugehen, ich wollte nicht mehr in Bars, auf Konzerte oder auf den Flohmarkt am Sonntag. All die Dinge, die ich zuvor auch gern getan hatte, empfand ich jetzt als Ablenkung, als unnötige Zerstreuung. Ich war 29. Meine Altersgenossen begaben sich auf große Reisen und erzählten freudig davon.

Mit einem für mich ungewohnten Stolz sagte ich nur dazu: „Meine Reise geht nach innen.“ Das war meine Wahrheit, und ich war so glücklich, endlich zu wissen, wofür ich lebte. Das Leben wurde leicht, eine mühelose Aneinanderreihung von irgendwie glückseligen Momenten, in denen ich meinen Körper spürte und ihm alle Impulse erlaubte, immer feiner und feiner. Irgendwann hatte ich diese Technik so vervollkommnet, dass ich meine Impulse zulassen konnte, ohne dass ich mich groß dazu bewegen musste. Und so konnte ich das überall machen, in der U-Bahn, an der Bushaltestelle und natürlich auch auf Arbeit, im Rechtsanwaltsbüro.

Vom ich zum wir – den Beziehungsraum erspüren

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Eines Tages kam ich auf die Idee, mal hin zu spüren, wo sich mein Körper in Gegenwart meines Liebsten hinbewegen will. Er wollte sinken, in ihn hinein. Spannung lösen durch ganz viel Körperkontakt. Und so kuschelten wir das erste Mal so richtig intensiv. Beim nächsten Treffen war es ähnlich. Wir trafen uns und kuschelten solange, bis wir einschliefen. Das wurde die Hauptbeschäftigung in unserer Beziehung. Glücklicherweise hatte er auch Lust dazu, und so hatten wir eine richtig entspannende Zeit. Innerlich atmete ich auf. Ich konnte mit jemandem zusammen sein, ohne dass ich mich anstrengen musste. Das fühlte sich herrlich an!

Und auch diese Phase ging vorbei. Eines schönen Sonntags, beim Vormittags-Kuscheln, hatte ich Lust, mein Becken zu bewegen. Ich schob und drückte es gegen seins, und spürte so unendlich viel Lust in meinem Becken. Schlagartig war sie da, die Lust, und sie war nicht mehr aufzuhalten. Ich wollte Sex! Und zwar nicht nur den Blümchensex, den wir bisher hatten, ich wollte von einem starken Gemächt durchdrungen werden. Auch wenn ich natürlich schon jede Menge Sex gehabt hatte, hatte ich das noch nie gefühlt. Dieser Wunsch war aus meinem Körper heraus entsprungen.

starke frau, geh für Dich, mut, selbstbestimmung, wildes leben, freie sexualität, wild life tantraMein Freund hatte keine so richtige Lust auf Sex mit Penetration. Wir probierten eine Weile rum, aber es klappte bei ihm nicht so gut. Eines Tages stand ich wütend auf und aus mir brach es heraus: „Ich will aber Sex. Ich will nicht nur Kuscheln! Ich möchte durchdrungen werden, richtig tief! Von einem starken Schwanz!“ Ups, mein Freund staunte nicht schlecht über diesen Wutausbruch, und ich selber staunte auch. Völlig impulsiv und authentisch hatte ich mich mitgeteilt. Ich hatte vorher nicht darüber nachgedacht, was ich sagen wollte, ich hatte es einfach getan.

Und so wurde ich auf wundersame und wunderbare Weise noch einmal geboren als das wilde und ungezähmte Wesen, das ich bis heute bin. Den Körperimpuls zu spüren und ihm Raum zu geben hat mich dorthin gebracht, und dies ist bis heute die schönste all meiner Reisen. Dass ich als „Nebenprodukt“ dieser Entwicklung Lust auf Sex bekam – das ist sicher eines dieser wunderbaren Dinge, die uns im Leben passieren, wenn wir uns absichtslos auf eine wahrhaftige Reise begeben.

Aber Sex hin oder her

tandana-tantra-masseurin-tantramassage-berlin-vorhang-portrait-lustig-frech - Fotograf: Gregor Philipps • tetrachrome.de

Das Entscheidende ist, dass ich heute weiß, dass genau das das Geheimnis ist, wie man sein Leben authentisch und mit Mut und Freude selbst gestaltet. Erst lernt man sich selbst zu fühlen und das, was man fühlt für bedeutsam und wahrhaftig zu erachten. Denn nur wer genau spüren kann, wo es hier und jetzt hin geht, kann auf alles angemessen und kreativ reagieren, kann lernen und gestalten. Babys und Kleinkinder tun das noch instinktiv – so lange, bis es ihnen aberzogen wird.

Körperbasierte Kommunikation

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Es gab zum Beispiel mal einen niederländischen Pädagogen namens Arthur Hesselbach, der die Methode Xoelapepel ersann. Sie war gemeint als Training für Eltern, um eine empathische, körperbasierte Kommunikation mit ihren kleinen Wundern zu erlernen. Nach wenigen Monaten der Praxis zeigten sich aber ganz andere erstaunliche Effekte. Die Eltern selbst fühlten sich high und befreit, lachten viel und berichteten von einer sehr positiven Entwicklung ihrer Persönlichkeit, die mit Freude und Leichtigkeit zu mehr Selbstwahrnehmung und Selbstliebe führte.

Xoelapepel historische aufnahmeWir haben deshalb einige vergleichbar Elemente auch als einen wichtigen Aspekt in unser Tantra-Training integriert und legen immer wieder Wert auf den spielerischen Zugang zu Begegnungen als auszubauende Kernkompetenz, in Verbindung mit einem geschulten Körperbewusstsein.

Wir freuen uns, wenn Du einen neugierigen Blick auf unser offenes Tantra Training wirfst:

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Namasté
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Pfad des Wilden Lebens – Leitartikel des Instituts – Wild Life Tantra Institut Berlin
1 Jahr zuvor

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