Immer wieder hören Menschen von den jüngsten Ereignissen um Chono’s Gesundheit, es kursieren erste Gerüchte und viele Menschen sind verständlicher Weise neugierig und auch berührt. Da ich nun nicht der Typ bin, mich an solchen Geschichten lange festzuhalten und sie immer und immer wieder zu erzählen, habe ich ich entschlossen, sie hier für dich einmal nieder zuschreiben.
Es war einmal ein Riss
Am Sonntag den 24.5.2020 gegen 11 Uhr saßen Tandana und ich glücklich und entspannt beim Frühstück. Zu dieser Zeit waren die Corona-Ferien ein echtes Geschenk für uns, wir hatten keine wesentlichen, wirtschaftlichen Einbrüche, und zugleich viel freie Zeit zum entspannen, meditieren, für die Liebe, lange Gespräche und verschiedene Projekte, für die uns das Leben früher nie die Zeit geschenkt hatte. Wir haben begonnen unser erstes, gemeinsames Buch zu verfassen und waren schon weit gekommen, da geschah es, völlig ohne Vorwarnung aus heiterstem Himmel: Ein “Vernichtungsschmerz” zerriss mir die Brust und innerhalb von Sekunden riefen wir die 112.
Wir hatten Glück im Unglück, denn auf Grund unserer Wohnlage waren die Sanitäter innerhalb von wenigen Minuten da und der Weg in die Charité ist von hier aus auch nur ein Katzensprung. Meine Aorta war gerissen. Die Aorta ist die größte Hauptschlagader, welche das Blut direkt vom Herzen in den gesamten Kreislauf transportiert, mehrere Zentimeter dick und beinahe so lang wie die Wirbelsäule. Ein solche “Aortendissektion Typ A” gehört zu den tödlichsten Vorfällen, die ein Mensch so haben kann, nur ca. 30% der Patienten überleben ein solches Ereignis. Zwar ist eine Operation, wenn sie rechtzeitig stattfindet, heutzutage meist erfolgreich, aber meist findet sie eben nicht schnell genug statt.
Meine Operation dauerte 12 Stunden und während vieler dieser Stunden wurde mein Körper von einer Herz-Lungen-Maschine am Leben gehalten, mein Herz und meine Lunge standen während dieser Stunden still. Ich lag anschließend 14 Tage im Delirium, das heißt, ich war halb wach, hatte starke, albtraumhafte Wahnvorstellungen und Halluzinationen und musste auf der Intensivstation ans Bett gefesselt werden. Insgesamt verbrachte ich fünf Wochen in Krankenhäusern mit anschließender dreiwöchiger Reha. Seither geht es langsam, aber stetig bergauf. Ich lebe jetzt mit zwei Aorta-Implantaten und einer prachtvollen Sternum-Narbe, denn es war nötig, für den Einbau dieser psychedelisch anmutenden Ersatzteile meinen Brustkorb aufzusägen und aufzustämmen – manchmal, in dunklen,schlaflosen Nächten meine ich, das Echo dieses saftigen Knirschens zu hören und sehe mich selbst vor mir wie ein Ernte-Dank-Fest-Braten samt Tranchier-Besteck.
Soweit die trockenen und feuchten Fakten
Ich selbst entstamme einer Ärztefamilie und bin von daher in der Weltsicht der Schulmediziner durchaus zu Hause – doch ist dies lange her und ich bin seither weit gereist. Ich habe die Pfade der empirischen RationalistInnen zeitweise komplett verlassen, bin Schamane und Reiki-Meister geworden, Tantra-Lehrer und vieles mehr, war lange Zeit in der Therapeutenwelt der Osho-Sanyassins unterwegs und habe mit großer Neugier zahlreiche Perspektiven auf das Leben, Leib & Seele und deren “Gesundheit” sammeln dürfen. So sehe ich die Ereignisse der letzten Wochen in meinem ganz eigenen, vielschichtigen und oft scheinbar widersprüchlichen Licht. Es war und ist eine Heldenreise, ein schamanischer Bildungsurlaub, ein Selbsterfahrungs-Trip, ein Albtraum, ein Geschenk, ein Pilgerpfad, ein Minenfeld und ein Keine-Ahnung-Was.
Tandana hatte mit einer guten Freundin – meiner Grinberg-Therapeutin – gewitzelt: “Chono liebt doch die Überraschungen des Lebens, die extremen Erfahrungen, die Transformation, jetzt hat er endlich mal bekommen, was er will!”. – Ja und Nein. Wer wünscht sich schon eine Aorten-Dissektion? Sicher nicht mal dieser verrückte Tantra-Lehrer. Aber eines ist sicher, ich hab was erlebt, ich bin noch mitten drin und ich hab was zu erzählen – das ist natürlich jetzt Schoki mit Sahne für mein geknicktes Ego (Mist, ich muss jetzt aufpassen mit dem Cholesterin). 😉
Bewegung der Seele
Es ist möglicherweise nach schulmedizinischen Maßstäben nicht ganz korrekt, aber in meiner Welt war ich während der Zeit, als mein Herz und meine Lunge still standen und ich vollkommen bewusstlos war, klinisch tot. Für meine Seele hatte das schwerwiegende Folgen. Zwar erinnere ich mich an keine klassische Nah-Tod-Erfahrung, jedoch kann ich deutlich spüren, dass während des zweiwöchigen Delirs meine Seele in einer Art Zwischenwelt gefangen war. Ich habe zahlreiche und intensive Erinnerungen an diese Zeit. Als ich langsam begann, wieder klar zu denken und die Welt um mich herum wieder zu sehen, war mein rationaler Geist anfangs noch sehr schwach.
Mein Gemüt war von sehr archaischen Gedanken vereinnahmt, allem voran ein tiefes verstört-Sein über die Tatsache, dass ich noch, bzw. wieder lebe. Es fühlte sich falsch an, da war so eine Art tief-religiöses Entsetzen darüber, dass die Ärzte das Universum betrogen und mir gewaltsam und in perversester Art und Weise meinen heiligen Tod geraubt haben. Ich hatte Schuldgefühle und war voller Verzweiflung.
Viele rümpfen sicher die Nase darüber und denken: “Mann, soll er doch froh und dankbar sein, dass er lebt, eine zweite Chance bekommen hat!” – Ja, natürlich, aber alles zu seiner Zeit. Dieser Teil kam dann später. Es ist, wie ich rückblickend mit Staunen beobachten durfte, eine höhere Bewusstseinsebene, welche in der Lage ist, die Magie des Heilers – sprich das Handwerk des Chirurgen – zu akzeptieren, sie als Teil des göttlichen Universums gut zu heißen und sich kraftvoll und nährend mit Dankbarkeit und Ehrfurcht vor diesem Wunder zu verbinden. Dieser Teil meines Bewus stseins erwachte erst nach und nach, ungefähr drei Wochen später. Zwar gab es schon vorher solche Gedanken, in bestimmter Weise wusste ich “Ich sollte dankbar sein und positiv denken”, ich bekam das natürlich auch von den Ärzten und Schwestern zu hören, aber es war fürs Erste nicht meine Wahrheit. Meine Wahrheit waren fürs Erste die starken Gefühle, und Gefühle bitten nicht um Erlaubnis oder Rechtfertigung. Sie sind, wie sie sind, und das dürfen sie auch. Es war nötig, diesen Weg ganz zu gehen und keinen Schritt auszulassen, mir vorher auch diese düsteren Gedanken und Gefühle ganz zu erlauben, denn schließlich hat mein ganzes System, mein Körper und meine Seele einen großen Schock erlebt, und noch heute, neun Wochen nach dem Erlebnis, zittere und schüttele ich mich regelmäßig, um die Energie des Traumas wieder freizusetzen, und nicht zuletzt deshalb schreibe ich auch hier darüber.
Eine Freundin fragte mich kürzlich, als ich ihr von dem Delir und der “Zwischenwelt” berichtete, was denn meine Seele am Ende zur Rückkehr bewogen hatte. Sie hätte wohl gern gehört, dass ich mich schlussendlich für das Leben entschieden hatte, aber wenn dem so war, muss es in einer tieferen Schicht geschehen sein, die ich nicht bewusst erlebt hatte. Vielmehr ist es in meiner Erinnerung so, dass es mich / meine Seele viel Kraft gekostet hat, in dieser albtraumhaften Zwischenwelt zu bleiben, dass sich kein Weg ins Jenseits gezeigt hat, um weiter zu gehen und dass sie schließlich aufgab, losgelassen hat und mit einem Gefühl der Resignation in die Erlebniswelt der fünf Sinne zurückgekehrt ist.
Das erste, woran ich mich nach dem Delir erinnere, ist Tandanas Gesicht, das mich anlächelt und mit verwirrender, freundlicher Sachlichkeit feststellte: “Du bist wieder da.” Keine Frage, keine Euphorie, vielmehr ein nüchterner, wenn auch erfreulicher Fakt, wie eine Henne, die zu ihrem frisch geschlüpften Küken sagt: “Du bist jetzt geschlüpft.” – Im Nachhinein bin ich froh, dass es keine Schwester war, wer weiß, ob da nicht eine Prägung passiert wäre, die mein Leben recht kompliziert gemacht hätte. Ich sage das so im Scherz, aber dahinter steckt, dass es mir nach fünf Wochen recht schwer fiel, nach Hause zu kommen, dass ich tatsächlich das Krankenhaus vermisst habe und mit den eigenen vier Wänden und allem, was mit dem “Leben vor dem Riss” zu tun hatte, arg gefremdelt habe.
Es ist dieses zweite Leben wirklich wie ein zweites Leben, wenn auch eines, welches schneller läuft als das erste. Ich war anfangs schwach und unbewusst wie ein Neugeborenes und musste vieles neu lernen. Die Wiedergewinnung meiner körperlichen Fitness geht quälend langsam voran.
Was ist jetzt?
Mittlerweile arbeite ich wieder, wenn auch in kleinen, achtsamen Portionen, und empfinde mich kaum noch als “krank”. Interessant finde ich aber, zu entdecken, wer ich jetzt bin. Ich lebe “gesünder” und mache täglich mein Training, und so, wie ich früher gern abends ein Gläschen trank, bin ich nun täglich auf pharmazeutischen blutdruck-senkenden Drogen mittags schon high. Langsam gewöhnt sich mein Körper an diese echt heftige Umstellung. Ich lebe jetzt anders. Ich habe mich in Gesprächen viel damit auseinander gesetzt, was “der Riss” mir sagen wollte, was das Thema ist. Derzeit denke ich, es geht um “die Mitte”. Das Herz und die Aorta repräsentieren den Kern, die innere Mitte und die Beständigkeit. Mein Leben war lange Zeit davon geprägt, die Extreme kennenzulernen, die Grenzen auszuchecken, die Ränder zu fühlen, und auch meine Sehbehinderung, die Makula-Degeneration, versinnbildlicht das sehr treffend, denn auch hier ist die Mitte mein blinder Fleck.
Seit dem Riss, mit dem das große Pendel einmal völlig zum Stillstand gekommen ist, ist die Mitte meine neue Geliebte. Wo früher die Rastlosigkeit war, der Hunger nach Erlebnissen und die Befürchtung, dass sich hinter der Stagnation ein schleichender, grausamer Tod verbergen könnte, dort ist jetzt Staunen und Hingabe für die extreme Erfahrung des Nichts-Tuns, der Kick extremer Langsamkeit und wahrhaftiger Geduld. Es waren dies früher vor allem Tandanas Kernkompetenzen, aber derzeit befinde ich mich diesbezüglich im langsamsten Crashkurs der Welt.
Und ich stelle mit Freuden fest, dass Freundinnen und Freunde mir das sogar ungefragt spiegeln. Ich wirke nun ruhiger, sagen sie, besser geerdet und auch gesünder als vor dem Riss. Ich lächle nun stiller darüber, freue mich, dass alles seinen Weg geht, das alles, wie es ist auch seine Richtigkeit hat, und ruhe mich nochmal aus. Zeit, mein Herz zu spüren.
Chono
Ich schreibe über die Befreiung von Lust und Sexualität und ihre Heiligkeit. Tantra ist meine Lebensphilosophie, der Weg zu Kraft und Erfolg in allen Bereichen. Ich bin Mitbegründer des Wild Life Tantra Institutes Berlin
Wow! Welche wunderschöne lebenskluge Kraft von dir ausgeht.
Es hat mich tief berührt, deine Erfahrungen und deine Erkenntnisse zu lesen.
Danke dir Chono!
…und danke für die Erwähnung….😊