Wofür holotropes Atmen im Tantra?

Wellen mit GischtWas ist holotropes Atmen?

Es gibt viele wunderbare Atemtechniken, die für tantrische Begegnungen im Laufe der letzten Jahrtausende entwickelt worden sind. Je nach Richtung und Schule sind sie sehr unterschiedlich – vom kontrolliertem Luft-Anhalten bis zum Energie-Lenken durch Atmung ist alles dabei, denn die Verbindung von Atem und Tantra ist auf jeden Fall ein Traumpaar für menschliche Begegnungen auf hohem Energielevel. Für die Schule des Wild Life Tantra, dem Pfad des Wilden Lebens, haben wir uns entschieden, das holotrope Atmen, entwickelt von Stanislav Grof, in unserem Tantra-Training zu praktizieren, und setzen dabei unsere ganz eigenen Akzente in den Atem-Sessions.

Für alle die, die das bewusstseinserweiternde holotrope Atmen noch nicht kennen, sei es hier kurz beschreiben: In einer Atem-Session seid ihr zu zweit, ein atmender Mensch und ein Wachender, ein Begleiter („Sitter“). Der atmende Mensch liegt zu Beginn auf dem Rücken und beginnt, vertieft zu atmen, mit dem Ziel, sich fallen zu lassen und durch mehr oder weniger starkes Hyperventilieren in einen Trancezustand zu fallen, unterstützt von speziell ausgewählter Musik. Es ist ein bisschen wie high werden von Sauerstoff.

Dem Körper wird dabei sehr viel Energie zugeführt, was zur Folge hat, dass wir Zugang zu den tieferen Dimensionen unserer Seele bekommen. Schamanen benutzten daher oft das vertiefte Atmen auf ihren Reisen in die Unterwelt. Interessant ist für uns aber auch, was dabei auf körperlicher Ebene passiert. Unsere Verpanzerungen werden durch das vertiefte Atmen durch verschiedene Körperreaktionen sichtbar und fühlbar. Und so ist es sehr wichtig, den aufsteigenden Themen Ausdruck und Gestalt zu verleihen, es „rauszulassen“ oder, anders ausgedrückt, Emotional Release zu praktizieren, den Körper vielleicht schütteln und zittern zu lassen und auf diese Weise das Thema heilsam in unser bewusstes Leben integrieren.

Es ist ein Stück weit auch eine Reise in den Dschungel des Kontrollverlustes. Wir geben den Gefühlen, Gedanken, Emotionen und Regungen Raum, die in unserem persönlichen oder kollektiven Erleben stark verdrängt sind, die wir nicht sehen wollen und die uns nicht selten auch große Angst machen. Was sich zeigen will, darf aus den Tiefen des Unbewussten aufsteigen und ans Licht kommen, gesehen werden, angenommen werden, ein Stück weit begriffen, erfasst, vielleicht sogar verstanden werden. Dabei drücken wir diese archaischen Gefühle durch Stimme und Bewegung aus – immer am Leitseil des vertieften Atems entlang.

Der Wachende schützt diesen Erlebnisraum. Er tut dabei nicht viel, ist vor allem präsent, gibt Erlaubnis und Sicherheit für diesen Prozess und steht zur Verfügung, den Atmenden in seinem Prozess zu unterstützen, mit großer Demut und Hingabe. Eine solche Session dauert in unserem Tantra-Setting mit Vor- und Nachbereitung ca. 90–120 Minuten, später gibt es eine Rückrunde, wo die Rollen getauscht werden.

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Intensität erlauben

Aber wofür braucht man das im Kontext des Tantra? Im Tantra wollen wir intensive und tiefe Begegnungen erleben, vielleicht auch Momente voller Lust und Leidenschaft, tiefer Verbundenheit und Ekstase. Damit das gelingen kann, ist es nötig, dass wir in der Begegnung berührbar und authentisch sind und uns mit all unseren starken und schwachen Seiten zeigen können. Was uns oft davon abhält, uns auf eine Begegnung wirklich einzulassen, sind unsere seelischen und körperlichen Verpanzerungen. Es sind also dieselben Deckel, mit denen wir Wut, Schmerz und Trauer unterdrücken, mit denen wir auch die lustvollen Anteile unseres Wilden Wesens und die bedingungslose Liebe zurückhalten.

Denn auch Lust und Liebe liegen oft zu großen Teilen im Schatten und gehören auch zu diesen angsteinflößenden Kellergeschöpfen. Hinter den verschlossenen Türen knurren und grollen sie, springen gegen die Türen, randalieren und wirken zutiefst beängstigend. Wenn wir aber einen Menschen bei uns haben, der unsere Hand hält, wenn wir die Kellertreppe hinuntersteigen, uns beschützt, wenn wir die alte Tür langsam öffnen und die vermeintlichen Dämonen herauslassen, dann sehen wir nicht selten, dass das Untier in Wirklichkeit ein verängstigtes Hündchen ist, welches einfach nur gesehen und angenommen werden möchte, und schon ist es ganz zahm, vielleicht noch irgendwie hässlich, aber in seiner anfänglichen Fremdartigkeit auch irgendwie liebenswert, und langsam öffnet sich unser Herz und realisiert: von diesem Dämon habe ich mich befreit.

Solange wir in einer tantrischen Begegnung nicht berührbar und authentisch sind, begegnen sich nur zwei Fassaden, und es bleibt immer ein schaler Beigeschmack von Belanglosigkeit. Die Begegnung hinterlässt ein Gefühl von Ent-täuschung, denn wir meinen, uns getäuscht zu haben mit der Hoffnung, hier eine erfüllende Liebeserfahrung machen zu können. Doch durch Tools wie das holotrope Atmen, genau wie durch viele andere Tools unseres Trainings können wir lernen, diese Faktoren selbstwirksam zu beeinflussen. Aus dem „Es geht nicht“ kann ein „Ich gehe“ werden, wir ergreifen immer wieder ein Stückchen mehr die Macht über die eigene Seele.

Die Aufgabe des Wachenden

Und, es gehören natürlich zwei zu der Begegnung, darum legen wir beim holotropen Atmen auch einen großen Fokus auf die Lernerfahrung des Wachenden. Denn oftmals ist es für uns als Zeuge schwierig, die Energie und Intensität authentischer Gefühlsausdrücke auszuhalten. Wir erschrecken, bekommen Angst oder finden es irgendwie unangenehm, zu laut, manchmal sogar physisch schmerzhaft. Wir beginnen reflexhaft zu trösten, versuchen mit einem „Schhhhhh!“ den Ausbruch zu dämpfen, sagen (scheinbar) liebevoll „Ganz ruhig, alles wird gut“ und machen uns nicht klar, dass wir damit genau den Deckel wieder zudrücken, denn es eigentlich zu öffnen gilt.

Das Geheimnis des Erlaubens und Raumhaltens, was die Aufgabe des Wachenden ist, ist, dass dieser Mensch selbstwirksam für seine Entspanntheit und Durchlässigkeit zu sorgen hat. Die Wirbelsäule zu bewegen, entspannt und tief weiterzuatmen, Spannungen im Körper bewusst wahrzunehmen und mit dem Ausatmen immer wieder gehen zu lassen. Wach(-end) zu bleiben heißt auch, die eigenen Projektionen wahrzunehmen. Reflexartig denken wir bspw. oft „Du bist mir zu laut“, dabei lautet die authentische Wahrheit „Ich bekomme gerade Angst“ oder „Ich verstehe gerade nicht, was hier passiert“. Das Geheimnis ist, dass es gar nicht notwendig ist, dass du mit dem Kopf verstehst, was da gerade passiert, es ist nicht deine Aufgabe, es zu verstehen. Es geht darum, dir und dem Atmenden zu erlauben, dass es ist, wie es ist, zu staunen über das unfassbar Andere, das völlig Fremde, und es mit offenen Armen voller Neugier und mit einem großen, tantrischen JA! zu empfangen.

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Exkurs: Die Natur von Projektionen verstehen

Je „roter“ das Tantra wird und je intensiver die Begegnungen zwischen Shiva und Shakti werden, desto häufiger begegnen uns die verschiedensten Projektionen in Form von starken Bewertungen anderer Personen, die zu dick, zu dünn, zu jung, zu alt, zu sonstwas für eine Begegnung wahrgenommen werden. Auch wenn in vielen Tantra-Gruppen ein starker Gemeinschaftsgedanke da ist, so hört dieser oft spätestens bei der Partnerwahl auf und jeder schaut nur noch, wie er Land gewinnt und den scheinbar „besten“ Partner ergattern kann. Da können wir sehr gut beobachten, wie machtvoll Projektionen unser Leben bestimmen. Und wie oft ist es schon passiert, dass jemand einen „unvorteilhaften“ Partner per Los zugeteilt bekam und nach her überrascht davon war, wie echt und tief und besonders die Begegnung war.

Ein weiteres Thema, dem wir auf unseren Seminaren immer wieder begegnen, ist die Angst vor Übergriffigkeit, die Angst, nicht an der rechten Stelle eine Grenze setzen zu können. Es gibt zahlreiche Ansätze, dem durch bestimmte Verhaltensregeln zuvorzukommen, was sicher eine mögliche Lösung dieses Problems ist. Wir wollen jedoch auch wir in der Tiefe begreifen, wie dieses Erleben entsteht und wie Projektionen im Allgemeinen entstehen, denn sie begegnen uns täglich im Alltag und in all unseren Beziehungen und erschweren direkte, authentische und gelungene Begegnungen von Mensch zu Mensch.

Regie führen im eigenen Leben, Persönlichket, Freiheit, TantraEs sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass unsere Überzeugungen auf einem konstruktivistischen Weltbild fußen, also auf der Idee, dass unsere erlebte Realität in jedem Moment von unserem Körper, unserem Geist und der Seele konstruiert wird. Unser radikaler Ansatz von Selbstwirksamkeit leitet sich daraus ab, denn – vereinfacht gesagt – dort, wo das Erleben konstruiert wird, kann es prinzipiell auch aktiv gestaltet werden, in uns selbst.

Wenn sich in einer tantrischen Begegnung Dinge beim anderen Menschen zeigen, oder dieser sich auf eine spezielle Weise verhält, die wir nicht kennen, verstehen oder einordnen können, irritiert und verunsichert uns das und wir ziehen uns schnell zurück. Oft versuchen wir dann mit „unserer Landkarte“ die Beobachtungen zu deuten und umzudeuten, bis sie in unserem Erfahrungsschatz passen. Das geschieht oft vollkommen unbewusst und automatisch, es ist ein Teil unseres Überlebensinstinktes, ist also weder bösartig noch schlecht.

Wichtig ist aber in diesem Moment, diesen Eindruck ganz bewusst wahrzunehmen und ebenso alle Gefühle, die damit hochgekommen sind, wahrzunehmen. Und dann, nach dieser Momentaufnahme, unbedingt noch einmal genau hinzuschauen. Ist das wirklich so? Entspricht meine Deutung der Wahrheit? Verhält sich dieser Mensch wirklich (zum Beispiel) gerade übergriffig? Oder bin ich nur durch ein Detail getriggert worden? Bin ich noch im Hier und Jetzt oder folge ich gerade einem alten inneren Film?

Staunen über das Unfassbar Andere

Spätestens an dieser Stelle wird es ganz sicher wichtig, ganz langsam zu werden, möglicherweise innezuhalten und sich authentisch in Form von Ich-Botschaften mitzuteilen. Und etwas zeigt sich: Wir sind in Kontakt gekommen mit dem „Unfassbar Anderen“, welches uns gerade mit großer Intensität entgegenfließt. Dieses „Unfassbar Andere“ können wir in keine Schublade stecken. Unser Verstand, der einordnen und kategorisieren will, kann das nicht verstehen. Das „Unfassbar Andere“ können wir nur jenseits unseres Verstandes verstehen, vielleicht mit unserem Herzen oder mit unserer tieferen Weisheit, mit dem Buddha in uns. Es ist eben genau das, was es ist, unfassbar anders. In unserem Buch „Die Buddha-Beziehung“ sprechen wir ausführlich darüber. Und wir sprechen auch über das dazu entwickelte Instrument, das Staunen.

Wozu nützt uns an dieser Stelle das holotrope Atmen?

In den holotropen Atem-Sessions übst du in der Rolle des Wachenden, in aller Ruhe und Klarheit, deinen Schützling nicht zu stören in seinem Prozess, obwohl du ganz da bist, ganz präsent, wachend, beschützend und immer bereit zu unterstützen, wenn der oder die Atmende dies signalisiert. Diese Haltung ist auch eine Übung großer Demut. Du bist nicht identifiziert mit dem Prozess des Atmenden, nicht dafür verantwortlich, dass dieser Mensch nun „besonders gut reinkommt“ oder „dass sich wirklich was zeigt“. Du bist einfach nur da, beobachtest und beschützt. Und du darfst staunen lernen über dieses „Unfassbar Andere“, was dir begegnet in Form von diesem Menschen, der da vor dir auf der Matte liegt und Dinge tut, die dein Verstand vielleicht einfach nicht begreifen kann.

Das Abendritual

Wie immer, bei unseren Level-II-Wochenenden, wird es am Samstagabend ein Tantraritual mit einem freiwilligen sexpositiven Raum und vielen Alternativen geben. Alles darf da sein, nichts muss passieren. Jeder wird in seinem Prozess zu diesem Zeitpunkt an seiner ganz eigenen Stelle stehen. Manche werden nachspüren wollen, nach innen gehen, manche werden sich sehr zart und weich fühlen, und manche werden durch das Atmen stark in Kontakt sein mit ihrer Lust und Lebendigkeit. Für all das soll der Raum im freien, offenen und selbstverantwortlichen Tantraritual da sein, welches wir gemeinsam als Gruppe zelebrieren werden. Du kannst nach der intensiven Atemerfahrung des Tages ganz in deinen Flow finden und die Art und Intensität von Begegnung finden, die sich für dich stimmig anfühlt, gehalten von einer starken Gruppenenergie und einem sicheren Gemeinschaftsgefühl.

Ausblick

Zu anderer Zeit, im Level III des Tantra-Trainings, an einem ganz anderen Wochenende, wirst du in der tantrischen Begegnung dann beides zugleich sein, Atmender und Wachender. Du wirst dich öffnen können, die Ekstase fließen lassen und zugleich wach und durchlässig sein. Oder du wirst dir als Gebender einer Tantramassage die Fertigkeiten des Wachenden zunutze machen, um deine Tantramassage zu einem sicheren und heilsamen Verehrungsritual erblühen zu lassen. Vielleicht wird sich deine Transformation aber auch an ganz anderen Stellen zeigen, in deinem Alltag, in ganz unauffälligen gewöhnlichen Momenten, die plötzlich Tiefe und Fülle bekommen. So wie ein Teilnehmer unseres Tantramassageseminars, der schrieb, dass seine eigentliche Veränderung im Kurs wohl nicht so aufgefallen ist, er aber auf einmal in der U-Bahn anderen Menschen in die Augen schauen kann. Und dass er jetzt aufrechter geht. Dieses Feedback hat uns sehr berührt, denn genau dafür ist unsere Arbeit gedacht. Die Magie und Fülle der Schöpfung darf im Alltag ankommen – in jedem Moment.

Wir freuen uns auf dich!
Namasté

Chono & Tandana

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Wofür holotropes Atmen im Tantra? – Chono Wild Life
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